Montag, 10. September 2018

Krallenpflege - Alptraum oder Traum?

Die Krallenpflege – für manche eine supereinfache Sache, für andere die Hölle. Und mit Hölle meine ich wirlich den Alptraum schlechthin. Ein zappelnder Hund, mit Panick gefüllte Augen und ein in Schweiss gebadeter Besitzer. Keiner hat Spass, beide hassen es. Nicht ganz unbekannt, aber darüber reden tun wenige. Krallenpflege ist nicht immer eine einfache Sache.

Das kann selbstverständich unterschiedliche Ursachen haben und nicht immer ist der Besitzer Schuld. Manchmal gibt es keinen offensichtlichen Grund warum der Hund, der ja sonst alles mit sich machen lässt, so ein Theater veranstaltet. Vielleicht hat da jemand einmal zu kurz geschnitten, so dass es ordentlich wehtat (das vergisst er nicht!), vielleicht hat der Hund schlechte Erfahrungen mit der Handhabung seiner Pfoten (durch Terarzt, Besitzer etc) gemacht, ist diese von klein auf einfach nicht gewohnt oder vielleicht mag der Hund es einfach nicht an den Pfoten angefasst zu werden.

Eigentlich ist es volkommen egal warum der Hund so reagiert, denn Tatsache ist, dass es für ihn keine angenehme Angelegenheit ist. Es ist immer wieder ein stressvolles Erlebnis, bei dem er sich jedes Mal in einem negativen emotionellen Zustand befindet und sogar nach Strategien sucht zu entkommen. Sei es Knurren, Beissen oder Zappeln. Fakt ist, es ist Stress. Und das muss die Krallenpflege nicht unbedingt sein.


In meinen Augen ist es unsere Pflicht als Hundehalter unseren Hunden zu helfen, sei es durch gezieltes Training oder durch das Finden von Alternativen. Denn die gibt es meistens, und dort wo es sie nicht gibt, ist es immernoch unsere Aufgabe die Probleme nicht zu ignorieren, sondern an ihnen zu arbeiten und unangenehme Situationen zumindest so angenehm wie möglich für unseren Hund zu machen.

In diesem Eintrag werde ich auf ein paar Alternativen zu der klassischen Krallenschere eingehen, das Scratchboard und die Nagelfeile. Ich werde auch erklären wie ich das Training mit Kiwi aufgebaut habe und vor allem, wie lange es gedauert hat bis sie entspannt und cool auf meinem Schoss liegen blieb und sich ihre Krallen feilen liess. Das hat nämlich einiges an Zeit und Geduld gebraucht.

Kiwi pflegt ihre Kratzer forlgendermassen: Erst kratzt sie selbst auf einem Scratchboard, bzw einem Blatt Sanpapier um ein Buch gewickelt, und wetzt sich so schon einmal grob ihre Krallen an den Vorderpfoten ab. Danach setzt sie sich auf meinen Schoss, schmeisst sich nach hinten, so dass sie angenehm liegt, und ich feile die Krallen an den Vorderpfoten nach. Diese wetzten sich nämlich, zumindest bei Kiwi, etwas ungleich auf dem Board ab. Die Krallen an den hinteren Pfoten feile ich ganz. Man kann dem Hund beibringen auch mit den Hinterbeinen zu kratzen, aber das ist etwas schwieriger, und, da die hinteren oft nicht so schnell wachsen, nicht unbedingt nötig.

Ich habe das Training nach folgendem Prinzip aufgebaut: Kiwi hat die Kontrolle. Sie entscheidet ob sie und wie schnell sie vorgehen möchte. Versucht man sie zu zwingen verschwindet sie in eine andere Welt und zeigt sehr deutlich, dass sie sich extrem unwohl fühlt und eine gute Zusammenarbeit ist somit nicht möglich. Das möchte ich nicht und habe deswegen versucht aus der ganzen Sache eine spassige Angelegenheit zu machen.

Angefangen hat alles mit einer Fussfeile, einer ganz normalen mit etwas Sandpapier drauf aus dem Drogeriemarkt. Daraus wurde nach und nach ein Bogen Sandpapier und dazu eine Feile. Kiwi fand es sehr schnell witzig selbst auf dieser Fussfeile rumzukratzen. Die Krallen wurden dadurch kürzer, ich kam meinem Ziel näher und Kiwi hatte das Gefühl selbst entscheiden zu können. Und genau das ist meiner Meinung nach sehr wichtig. Kiwi hat das Gefühl der Kontrolle über ihren eigenen Körper und das stärkt. Gleichzeitig eröffnet es Möglichkeiten auch an tendenziell unangenehmen Situationen arbeiten zu können. Da so eine Fussfeile nicht wirklich gross ist wurde daraus ein Bogen Sandpapier. Auf dem kann mit beiden Pfoten gekratzt werden und dazu mit einer ganz anderen Kraft. Es geht also etwas schneller.

Sich es sich selbst auf meinem Schoss gemütlich zu machen und dort liegen zu bleiben war dann die nächste Übung. Das drauf setzten und hinlegen war eine Sache, das Liegenbleiben war auch in Ordnung, aber dann kam das Krallenfeilen dazu. Das hat ziemlich lange gedauert, ich glaube wir haben dafür mehrere Monate gebraucht. Denn die einzelnen Pfoten und Krallen festzuhalten, die Feile an die Krallen zu führen und zu feilen war am Anfang gar nicht in Ordnung.

Mit sehr viel Geduld, sehr guten Belohnungen und vielen kurzen Trainingseinheiten kamen wir aber zum Schluss ans Ziel. Und das sieht bei uns so aus:


Die eigene Frustration auushalten
Es ist nicht immer leicht selbst entspannt zu bleiben, wenn das Training nicht ganz so läuft wie man es sich selbst vorgestellt hat. Man ist leicht frustriert, wenn Hund nach hundert Trainingseinheiten es immernoch nicht gut findet, aber genau das müssen wir aushalten. Wir müssen uns noch einmal fragen ob wir an den Hund Anforderungen stellen, die wirklich für ihn einfach zu realisieren sind. Wir müssen das Traning so gestalten, dasss der Hund glücken kann und es zum grössten Teil auch tut. Konkret soll das heissen, dass von 10 Versuchen ungefähr 8 geglückt sein sollten. Wir müssen auch darauf achten uns innerhalb des Rahmens zu halten in dem der Hund sich wohlfühlt und gut mitarbeitet, ihn also nicht zu etwas zwingen und somit seine Grenzen überschreiten. Auch müssen wir immer wieder schauen, ob die Belohnung für den Hund auch wirklich interessant ist und wie gut wir im zur richtigen Zeit belohnen sind (wenn ich beim Zurückziehen der Pfote lobe und dann belohne verstärke ich genau das Verhalten, was ich nicht haben möchte), denn das ist ganz und gar nicht immer so einfach.

Mit unseren eigenen Gefühlen, zum Beispiel der Frustration und Ungeduld, zurechtzukommen ist unsere Verantwortung. Der Hund kann sonstwie unlogisch und „schwierig“ wirken, es geht hier darum dem Hund die Krallenpflege als das Beste der Welt zu verkaufen, und nicht alle Kunden sind gleich leicht zu überzeugen.

Soviel dazu, jetzt fangen wir mit dem Training an.

Das braucht ihr:
Sandpapier aus dem Baumarkt
Unsere Nagelfeile
  1. Richtig gute Belohnungen!
    Und da meine ich etwas, was euer Hund wirklich mag. Aber gleichzeitig auch nicht etwas, wofür er im Kreis rennt und total ausflippt. Ein zu aufgedrehter Hund hält vielleicht etwas schlecht still. 
  2.  
  3. Eine Unterlage auf der der Hund sich die Krallen abwetzen kann.
    Das kann ein Bogen Sandpapier und ein Buch sein, so wie wir das benutzen. Man kann aber auch eine Platte nehmen und das Papier darauf befestigen. Für grössere Hunde ist eine Platte wahrscheinlich besser und Sandpapier vielleicht zu dünn. Da kann eventuell Dachpappe helfen. Leider habe ich auf diesem Gebiet nur Erfahrung mit Hunden bis zu 10 kg und da hat Sandpapier immer gereicht.
  4.  
  5. Eine Nagelfeile
    Ich habe im Internet eine Feile bestellt, die für Acrylnägel verwendet wird und somit sehr grob ist. Schaut nach einer Feile mit einer groben Körnung zum Beispiel 100/180 Grit. Umso höher diese Zahl, umso gröber ist die Feile.
  6.  
  7. Viel Zeit und Geduld
    Wirklich viel Geduld, es kann manchmal echt dauern und frustrierend sein. Tief durchatmen!
     
  8. Einen Hund
    Könnt aber bestimmt auch mit anderen Tieren oder sogar Kindern funktionieren. Ein etwas müder, beziehungsweise ausgelasteter, Hund kann durchaus von Vorteil sein, aber bitte nicht beim Schlafen stören.
Dann kann gestartet werden. Ich starte so wie wir es machen, also mit dem Scratchboard, dann nehme ich mir das Klettern und hinlegen auf den Schoss vor und zuguterletz das Feilen. Wer nur feilen möchte überspringt einfach die nächsten Schritte.

Bevor wir anfangen nur schnell: das Training baut auf dem Prinzip der positiven Verstärkung auf. Das heisst, dass wir gewünschtes Verhalten (auf dem Board scratchen, Pfote stillhalten,..) bestätigen und verstärken (davon wollen wir mehr) und unerwünschtes (Pfote zu sich ziehen) ignorieren (davon wollen wir weniger. Ob ihr einen Clicker oder ein Wort benutzen wollt könnt ihr selbst entscheiden.

Und noch eine kleine Warnung: Krallenpflege kann so viel Spass machen, dass der Hund, wenn er das Scratchboard irgendwo findet, auch gerne alleine eine Runde pflegt und das sollte er nur unter Ausicht. Denkt also bitte dran immer alles wegzuräumen. Ich bin da mal von einem intensiven Kratzen geweckt worden...

SCRATCHBOARD
Kann der Hund mit seiner Pfote schon etwas berühren (wie zum Beispiel die Pfote geben) geht es wahrscheinlich etwas schneller. Wenn nicht, ist es aber auch nicht so schwer.

  1. Den Bogen auf den Boden legen und den Hund mit seinen Vorderpfoten auf den Bogen locken. Jedes Mal loben und belohnen, wenn der Hund auf den Bogen geht. Wenn der Hund schon Pfote gibt, ein paar Mal Pfote geben lassen und dann den Bogen dazwischen halten. Kommt die Pfote auf den Bogen loben und belohnen.
     
  2.  Nicht locken, einfach mal sehen ob der Hund von selbst den Bogen berührt. Tut er das, loben und belohnen. Genau das Gleiche gilt für Hunde die schon Pfote geben. Bogen hinhalten und abwarten.
  3. Immer wieder den Hund dafür belohnen die Pfote auf das Papier zu setzen/legen.
  4. Mit der Zeit den Bogen (ums Buch herum oder auf einer Platte) etwas schräger halten, so dass die Pfote etwas dran kratzt. Schön loben und belohnen.
     
  5. Der Hund kratzt einmal, abwarten und schauen ob er noch einmal kratzt. Loben und belohnen.
  6. Je nachdem wie oft/lange man möchte, dass der Hund kratzt verstärkt man jetzt nach zwei- bis dreimal kratzen.
VORSICHT! Den Hund nicht zu lange kratzen lassen. Die Krallen müssen regelmässig geprüft werden, so dass der Hund nicht zu viel wegschleift. Blutende Krallen sind kein Spass und absolutt zu umgehen. Auch auf die Ballen muss aufgepasst werden, da die sonst schnell wund gescheuert sind. Da finde ich hilft es das Board schräge zu halten.


ENTSPANNT AUF DEM SCHOSS
  1. Mit angewinkelten Beinen auf den Boden oder auf das Sofa setzen
     
  2. Hund mit einem Leckerlie auf den Schoss locken
    Das kann gerne so viel geübt und belohnt werden, dass der Hund freiwillig auf den Schoss springt.
     
  3. Hund mit dem Kopf zu sich sitzend auf dem Schoss platzieren
    Schön verstärken!
  4. Jetzt mit einem Leckerlie den Kopf nach oben und etwas nach hinten führen, so dass der Hund sich nach hinten lehnt und sich mit dem Rücken auf die Beine legt. Richtig doll loben und belohnen! Diesen Schritt sehr oft wiederholden. Und Eigeninitiative seitens des Hundes belohnen.
  5. Den Hund liegend immer wieder belohnen und die Zeit herauszögern.
  6. Kann der Hund entspannt auf dem Schoss liegen und dort auch eine Weile bleiben, fangen wir an die Pfoten anzufassen.



HANDHABUNG UND FEILEN DER KRALLEN
  1. Pfote anfassen, Hund zieht sie nicht zurück → Loben und Belohnung
    Eventuell ist es am Anfang genug die Pfote nur zu berühren. Will der Hund gar nicht angefasst werden kann man die Pfote ganz leicht mit einem Finger berühren, indem man berührt loben und belohnen. Bei manchen Hunden muss man ganz langsame und kleine Schritte machen. Weiter üben bis das Pfoteanfassen in Ordnung ist.
     
  2. Pfote etwas festhalten und fürs Stillhalten loben und belohnen
     
  3. Die Pfote untersuchen, die einzelnen Krallen angucken usw → Loben und belohnen
     
  4. Wenn das gut klappt, die Pfote mit der Feile berühren. Loben und belohnen.
     
  5. Die einzelnen Krallen festhalten, mit der Feile berühren und fürs Stillhalten belohnen.
     
  6. Findet der Hund das ok vorsichtig anfangen ein bisschen zu feilen. Loben und belohnen!
     
  7. Langsam anfangen etwas mehr zu feilen bevor das Lob und die Belohnung kommt.

Daran denken kurze Einheiten einzuhalten. Kurze Einheiten, in denen der Hund oft Erfolg hat, sind effektiver als zu lange, in denen der Hund die Anforderungen nicht erfüllen kann! Wenn es noch nicht so richtig klappt, einen Schritt zurück.

Nicht aufgeben!
Falls das Training sich ab und an etwas aufhängt und ihr das Gefühl habt es geht nicht weiter, nicht gleich verzweifeln. Manchmal braucht es etwas Zeit. Ich habe oft das Gefühl, dass da eine kleine Pause helfen kann. Versucht euer Ziel vor Augen zu haben, aber denkt dran, den Weg dahin gut aufzuteilen. Kleine Schritte, kleine Ziele – ein paar Schritte vor und ein paar zurück. Es gibt durchaus auch Tage an denen der Hund einfach keine Lust hat, das kennen wir alle selbst und sollten uns davon nicht entmutigen lassen. Es gibt Tage an denen Kiwi ganz und gar nicht in der Laune ist ihre Krallen zu machen, ich probiere es dann einfach am nächsten Tag und meist klappt es dann besser.

Wir wünschen euch ganz viel Glück beim Trainieren, gebt doch gerne eine Rückmeldung zu diesem Eintrag und lasst uns wissen, ob ihr mehrere solcher haben wollt!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen